Berlin, 2026. Die Kommunalwahl in NRW ist vorbei, und das Ergebnis der AfD ist besser als erwartet. Kurz danach postet Alice Weidel in den sozialen Medien eine knappe, scheinbar unschuldige Botschaft. Sie drückt ihr tiefes Bedauern über den Verlust von vier „mutigen Kämpfern“ der Partei aus, die während des Wahlkampfes verstorben sind. Dazu ein schlichtes, aber emotionales Bild. Keine weiteren Details, keine Anschuldigungen.
Die etablierten Medien — von der „Welt“ bis zu ntv und den großen Online-Portalen — wittern eine Geschichte. Sie greifen das Thema auf. Ihre Schlagzeilen lauten: „Vier AfD-Kandidaten verstorben: Partei trauert“, „AfD verliert vier Kandidaten im Wahlkampf“. Die Artikel betonen die Seltenheit der Todesfälle in einer einzigen Partei, obwohl sie wissen, dass insgesamt 18 Kandidaten aus verschiedenen Parteien verstorben sind. Aber die Botschaft der AfD ist emotional und neu, die anderen Tode nicht. Es gibt keine Geschichte, aber die Medien schaffen eine.
Die AfD-Führung muss nichts weiter tun. Die traditionellen Medien liefern die Inhalte, die auf Social Media millionenfach geteilt werden. Das Narrativ der „vier gefallenen Helden“ und der Opferrolle, das die AfD so dringend benötigt, um ihre Anhänger zu mobilisieren, wird nicht von der Partei selbst, sondern von ihren Gegnern verbreitet. Der Algorithmus der Suchmaschinen belohnt die massive Berichterstattung der großen Medien mit Top-Platzierungen. So wird die erfundene Geschichte zum Top-Suchergebnis.
Für die Doofen
Dieses Vorgehen ist eine direkte Parallele zur Strategie der Nationalsozialisten in der Weimarer Republik, die ebenfalls verstanden, wie sie die Medien für ihre Zwecke instrumentalisieren konnten, ohne direkte Propaganda zu betreiben.
1. Das Boulevardprinzip: Die NSDAP erregte mit ihrer Brutalität und ihren Skandalen die Aufmerksamkeit der Medien, die auf Sensationen setzten. Obwohl die Zeitungen nicht unbedingt NS-freundlich waren, berichteten sie über die Schlägereien und Aufmärsche, da sie sich gut verkauften. Die Medien wurden zum unfreiwilligen Megafon der NS-Bewegung.
2. Die Logik des Opfers: Die NSDAP verstand es meisterhaft, sich selbst als Opfer der Linken oder der Republik zu inszenieren. Jeder Tote in den eigenen Reihen wurde zum Märtyrer erklärt, der für eine „höhere Sache“ gestorben sei. Die bürgerlichen Medien, die diese Geschichten aufgriffen, lieferten den Nazis damit die perfekte „Integrationspropaganda“, die das Gefühl einer belagerten Gemeinschaft stärkte.
3. Das Fehlen einer Gegenerzählung: So wie die anderen Parteien bei der Kommunalwahl nicht über die Todesfälle berichteten, versäumten es auch die demokratischen Parteien der Weimarer Republik, eine starke Gegenerzählung zu schaffen. Sie reagierten auf die Provokationen der Nazis, anstatt eine eigene Agenda zu setzen. Die Nationalsozialisten mussten nur ein Narrativ schaffen, das aufgrund seiner emotionalen Ladung von den Medien aufgegriffen wurde. Der Rest der Arbeit wurde von ihren politischen Gegnern erledigt. Das Muster, wie mediale Aufmerksamkeit zu politischem Kapital wird, hat sich kaum verändert.